Informationsfabrik

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In ihrer kürzlich veröffentlichten fünften Stellungnahme fordert der Expert:innenrat der Bundesregierung eine bessere öffentliche Kommunikation zur Pandemie: „Um das Individuum und die Gesellschaft in ihrer Selbstwirksamkeit und ihrem risikokompetentem Verhalten zu unterstützen, ist eine reaktionsschnelle, evidenzbasierte, zielgruppen- und nutzerspezifische Risiko- und Gesundheitskommunikation unabdingbar. Diese muss wissenschaftliche Evidenz einfach erklären [..und] in Handlungsempfehlungen übersetzen.“ Konkret brauche es aus Sicht der Expert:innen
- Strukturen zur Generierung des besten verfügbaren Wissens,
- die Übersetzung dieses Wissens in verständliche, entscheidungs- und handlungsrelevante Informationsformate,
- die Verbreitung dieser aufbereiteten Informationen über multiple, zielgruppenspezifische Kanäle sowie
- die Evaluation der erzielten Effekte und gegebenenfalls eine Anpassung der Strategie.
Mit dieser vierstufigen Kommunikationsstrategie verfolgt der Expert:innenrat „Aufklärung und nicht Werbung oder Persuasion (“Überreden”)“. Die Bürger:innen sollen also durch eine faktenbasierte und individuell angepasste Ansprache befähigt werden, sich auf Basis verlässlicher, wissenschaftlich abgesicherter Informationen eine Meinung zu bilden. (ExpertInnenrat der Bundesregierung, 2022) Damit setzen die Expert:innen also auf die Kompetenz jeder und jedes Einzelnen und sehen gleichzeitig den Staat in der Pflicht, die Bürger:innen in geeigneter Weise mit den nötigen Informationen zu versorgen. Die Kommunikation von transformationsrelevantem Wissen scheint also keinesfalls trivial zu sein, sondern entpuppt sich als der entscheidende kritische Erfolgsfaktor in Veränderungs- und Transformationsprozessen.
Die Kommunikation von transformations-
relevantem Wissen scheint also keinesfalls trivial zu sein, sondern entpuppt sich als der entscheidende kritische Erfolgsfaktor in Veränderungs- und Transformations-
prozessen.
Auch eine Studie des Handelsblattes bekräftigt diese Feststellung: Die digitale Transformation sei in erster Linie eine „Kopfsache“. Die meisten Hindernisse würden demnach mit dem Mindset der Mitarbeiter:innen zusammenhängen. Die Art der Transformationskommunikation entscheide, ob es dem Unternehmen gelingt, den Wandel zu begleiten und die Beschäftigten beim Transformationsprozess mitzunehmen oder nicht. (Handelsblatt RESEARCH INSTITUTE, 2020).
In diesem Artikel wollen wir den Begriff „Transformationskommunikation“ mit Leben füllen. Wir wollen die vom Expert:innenrat vorgeschlagene vierstufige Kommunikationsstrategie für die Transformationsprozesse in unseren Unternehmen und Organisationen übersetzen und eine Idee davon geben, wie der Vierklang von Generierung, Übersetzung, Verbreitung und Evaluation im Rahmen von Transformationen konkret aussehen könnte.
Einfach gesagt, wollen wir Antwort geben auf die Frage: Wie kommuniziert man eigentlich Transformation?
Um den Prozess der Transformationskommunikation möglichst anschaulich zu erklären, wollen wir zum Vergleich den prototypischen Ablauf in einer Fabrik heranziehen. Stellen wir uns vor, dass in dieser Fabrik transformationsrelevantes Wissen zu kundenspezifischen Informationsprodukten verarbeitet wird, welche dann auf unterschiedlichen Vertriebswegen zu den Adressat:innen gelangen. Hierfür braucht es die Abteilungen Materialbeschaffung, Produktion, Logistik und Qualitätssicherung.
In der Abteilung Materialbeschaffung wird das Rohmaterial für unsere Produkte besorgt. In unserem Fall geht es also darum, das benötigte Wissen zum Thema Transformation zu sammeln, welches wir dann für unsere Informationsprodukte verwenden wollen. Dafür muss der Beschaffungsmarkt gut sondiert werden, die Qualität der verfügbaren Materialien muss geprüft, die Zuverlässigkeit von Lieferant:innen unter die Lupe genommen werden, Herkunftsnachweise analysiert und unterschiedliche Angebote verglichen werden. Da wir ein erstklassiges Informationsprodukt zum Thema Transformation fertigen wollen, müssen wir bei der Materialbeschaffung wählerisch und hartnäckig sein. Unser Anspruch ist es, auch an schwer zugängliche Spezialteile zu gelangen. Erst wenn wir alle Materialien vollständig und in der gewünschten Qualität vorliegen haben, ist unser Job erfüllt.

Da wir ein erstklassiges Informationsprodukt zum Thema Transformation fertigen wollen, müssen wir bei der Materialbeschaffung wählerisch und hartnäckig sein. Anschließend wandeln wir sperriges Rohwissen in gut konsumierbare und leicht verdauliche Informationen um
Sobald das Material in unserer Fabrik angekommen ist, startet die Arbeit in der Produktionsabteilung. Die Rohmaterialien werden zu Produkten verarbeitet. In unserem Fall wandeln wir also sperriges Rohwissen in gut konsumierbare und leicht verdauliche Informationen um, mit deren Hilfe das Thema Transformation auf einfache Weise verstanden werden kann. Das ist dann unser Informationsprodukt. Da wir für sämtliche Adressat:innengruppen ein jeweils passendes Informationsprodukt anbieten wollen, müssen wir unsere Produktpalette diversifizieren. Wir halten daher eine Vielzahl an Fertigungsstraßen vor, an denen die Materialien zu ganz unterschiedlichen Produkten verarbeitet werden. Das Mischungsverhältnis unserer Rohware und deren Verarbeitung unterscheiden sich je nach dem, für welchen Adressat:innentyp das fertige Produkt gedacht ist. In unserem Fall müssen wir z.B. berücksichtigen, dass die verschiedenen Adressat:innen eine unterschiedliche Informationsdichte und Informationstiefe benötigen und ganz spezifische Vorkenntnisse und Einstellungen zum Thema Transformation haben. Wir beschäftigen uns daher ausführlich damit, wie die einzelnen Informationsprodukte genau beschaffen sein müssen und optimieren diese so lange, bis sie für die jeweiligen Adressat:innen wirklich passend sind.
Die fertigen Produkte werden dann in der Logistik für die Verteilung auf dem Absatzmarkt vorbereitet und über geeignete Vertriebskanäle versandt. In unserem Fall werden die Informationsprodukte nun auf die unterschiedlichsten Kommunikationsmittel und -medien verteilt. Auch hier müssen wir die individuellen Unterschiede unserer Adressat:innengruppen berücksichtigen. Wir studieren daher die Gewohnheiten unserer Adressat:innen genau, um sicherzustellen, dass unsere Informationsprodukte ihre Ziele sicher erreichen. Jede einzelne Sendung ist uns wichtig. Wir wollen jeden Adressaten und jede Adressatin auf den individuell bevorzugten Kanälen erreichen. Der Servicegedanke wird bei der Auslieferung der Ware großgeschrieben. Wir unternehmen stets mehrere Zustellversuche und bieten unsere Informationsprodukte für alle Adressat:innengruppen auf mehreren Kanälen an. Unser Anspruch ist, dass selbst die Adressat:innen in den entlegensten Winkeln sicher sein können, unsere Produkte zu erhalten. Jede:r soll die Möglichkeit haben, an die notwendigen und individuell passenden Informationen zum Thema Transformation zu gelangen. Mit dieser Maßgabe schicken wir unsere Informationsprodukte auf die Reise.

Durch die Distribution stellen wir sicher, dass jede:r die Möglichkeit hat, an die notwendigen und individuell passenden Informationen zum Thema Transformation zu gelangen.
Die Arbeit in der Fabrik ist damit aber noch nicht beendet. Die Abteilung Qualitätssicherung übernimmt nun die Nachbetreuung, indem sie den Adressat:innen Unterstützung über die Produktauslieferung hinaus anbietet. In unserem Fall stehen wir als Ansprechpartner:innen für Fragen zu den ausgelieferten Informationen zum Thema Transformation bereit. Dafür geben wir uns dialogbereit. Wir fragen aktiv nach, ob unsere Informationsprodukte die Adressat:innen errreicht haben und ob Fragen dazu bestehen. Außerdem ist auf jedem unserer Produkte eine Hotline-Nummer zu finden, über die die Adressat:innen jederzeit mit uns Kontakt aufnehmen können. Und wir beobachten, was die Adressat:innen mit den Informationen machen, welche Schlüsse sie daraus ziehen und welche Handlungen sie für sich persönlich in Bezug auf Transformation ableiten. Wir überprüfen also sehr genau die transformative Wirksamkeit unserer Informationsprodukte. Bei all dem sind wir bestrebt, zu lernen, was wir an den Informationsprodukten und ihrer Verteilung in Zukunft noch besser machen können, was wir berücksichtigen und optimieren sollten. Auf diese Weise verbessern wir kontinuierlich unsere Transformationskommunikation.

Im Rahmen der Qualitätssicherung überprüfen wir sehr genau die transformative Wirksamkeit unserer Informationsprodukte.
Fassen wir zusammen, welche Schlüsse wir aus diesen Überlegungen für die Kommunikationsstrategie im Rahmen der Transformationsprozesse in unseren Unternehmen und Organisationen ableiten können:
- Transformationswissen muss anschlussfähig gemacht werden. Häufig besteht die falsche Vorstellung, man könnte transformationsrelevantes Wissen einfach 1:1 weitergeben, damit Menschen eine Transformationsidee verstehen und in geeignete Handlungen umsetzen. In Wirklichkeit ist die Transformationskommunikation aber eine mehrstufige Aufgaben, die einen sehr differenzierten Blick auf die Adressat:innen voraussetzt.
- Die Transformationskommunikation ist ein 4-stufiger Prozess: Zunächst sammeln wir transformationsrelevantes Wissen (Materialbeschaffung), aus dem wir dann adressat:innenspezifische Informationsprodukte fertigen, sodass die Transformationsidee einfach verständlich wird (Produktion). Im Weiteren verteilen wir die unterschiedlichen Informationsprodukte parallel auf mehreren geeigneten Kanäle (Logistik) und prüfen, wie sich die transformative Wirkung entfaltet (Qualitätssicherung).
- Die Qualität der Transformationskommunikation bemisst sich daran, wie viele Menschen bereit sind, die neuen Ideen aufzunehmen und umzusetzen. Je besser das Informationsprodukt, desto mehr werden es sein. Wer viele Menschen mitnehmen will, braucht einen differenzierten Blick auf individuelle Unterschiede und Besonderheiten. Transformationskommunikation stellt somit das Individuum mit seinen ganz persönlichen Eigenschaften in den Mittelpunkt.
- Transformationskommunikation transportiert innovative Ideen zu den Menschen. Sie versetzt die Adressat:innen in die Lage, Zusammenhänge zu verstehen und sich auf Basis valider Daten und Fakten eine eigene Meinung zu bilden, kompetent zu handeln und sich am Transformationsprozess zu beteiligen. Transformationskommunikation ist also eine echte Zukunftsaufgabe. Gestalter:innen der Zukunft gehen diese Aufgabe jetzt konsequent an und leisten damit einen gewichtigen Beitrag für nachhaltige Veränderung, die alle Menschen gleichermaßen erreicht und von der alle profitieren können.
Zum Weiterdenken: Mein Brückenbau in die Zukunft der Arbeit
Woher beziehe ich mein Wissen rund um (unsere) Transformation?
Wie kann ich unsere Transformationsidee erklären und verbreiten, sodass jede:r sie erhält und versteht?
Wie gut ist unsere Transformations-
kommunikation aktuell und wie können wir sie zukünftig weiter verbessern?
Quellen
ExpertInnenrat der Bundesregierung (2022). 5. Stellungnahme des ExpertInnenrates der Bundesregierung zu COVID-19. Zur Notwendigkeit evidenzbasierter Risiko- und Gesundheitskommunikation. Abgerufen 12.02.2022, von https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/2002168/ea5301f932dafa791129440858746e0a/2022-01-30-fuenfte-stellungnahme-expertenrat-data.pdf?download=1
Handelsblatt RESEARCH INSTITUTE (2020). Die Rolle der internen Kommunikation bei der Transformation. Studie im Auftrag der LANXESS GmbH. Abgerufen 12.02.2022, von https://research.handelsblatt.com/assets/uploads/Studie_Transformationskommunikation.pdf
Bildquellen: Alle Illustrationen aus diesem Blog stammen von Lena Bittrich und Carolin Meyer